Workshop XIV, Elisabeth Dokulil, 22. Oktober 2020
Elisabeth Dokulil hat ein Doktorat in Biochemie und ist praktizierende Psychotherapeutin in Wien. Ihre Reflexion über Öl begann, als sie mit Verwunderung feststellte, dass Erdöl hauptsächlich als Brennstoff verwendet wird, etwa für Transport und Heizung. Das ist eine eingeschränkte Verwendung einer mächtigen Ressource. Warum verbrennen wir sie einfach?
Psychoanalytische Theorie eröffneten für Elisabeth Dokulil eine freudianische Perspektive auf Kultur. In seinem Buch Das Unbehagen in der Kultur (1930) kategorisiert Freud die Instinkte einer Person in zwei Antriebe: den Eros-Antrieb und den Thanatos-Antrieb. Während Eros Sorge tragen möchte, versucht Thanatos zu zerstören. Das ist auch Teil unserer biologischen Notwendigkeit zu sterben. Somit herrscht ein andauernden Konflikt zwischen dem Wunsch, sich um Dinge zu kümmern, und sie zerstören zu müssen.
Wir sollten diese Tendenz zur Zerstörung berücksichtigen, wenn wir über Öl nachdenken. Der gegenwärtige Stand der Dinge ist nicht nur das Ergebnis des Kapitalismus, auch wenn der Kapitalismus die natürlichen Ressourcen besonders schlecht schützt. Unsere mit Gier verbundene Ölsucht verhindert, dass wir Alternativen finden und den Suchtkreislauf durchbrechen können.
Elisabeth Dokulil spricht, ähnlich wie Imre Szeman in seinem früheren Workshop, auch über Freuds Analyse, wie Wissenschaft und Technologie es Menschen ermöglichen, „sozusagen eine Art Prothesengott“ zu werden und uns so glauben machen, dass wir die Natur dominieren, und dazu bringen unsere Grenzen zu ignorieren.
Wir befinden uns mitten in einer Krise: Wenn wir ein Auto kaufen, sehen wir nicht unbedingt, dass wir den Planeten zerstören. Wir werden nicht ermutigt zu sehen. Das Bildungssystem spielt dabei eine wichtige Rolle: Die Kreativität von Kindern wird darin schon in einem zu jungen Alter eingeschränkt. Wir könnten alle unseren eigenen Stil kreieren und die eigenen Kreationen aller können möglicherweise zusammen wirken, um eine bessere Welt zu schaffen. Stattdessen sind wir gezwungen, Teil einer Masse zu sein, die uns ermutigt, unser spezifisches Selbst aufzugeben.
Die künstlerische und wissenschaftliche Kollaboration im Zentrum von Reflecting Oil erinnert Elisabeth Dokulil an ein Gedicht von Goethe über Materialität, Der Zauberlehrling. Wissenschaftler*Innen glauben, dass sie alles manipulieren können. Kunst und Geisteswissenschaften geben der Wissenschaft so eine andere Perspektive, einen fast menschlichen Ansatz. Wissenschaftler*Innen versuchen Ergebnisse zu erzielen, und müssen sich dabei meist selbst vergessen. Deshalb hat Dokulil selbst die Wissenschaft verlassen: „Ich wollte mein Leben nicht opfern. Als Psychoanalytikerin opfere ich mich nicht Institutionen. Ich kann mich erfinden.“
Psychotherapie I Freud I Zerstörung I Gier I Bildung I Kreativität I Selbst I Masse I Goethe