Workshop XI, Kat Válastur, 3. September 2020
Die in Berlin lebende Künstlerin Kat Válastur stellt ihre Choreografie OILinity aus 2016 vor, die von ihrem sechsmonatigen Aufenthalt in Baku, Aserbaidschan, inspiriert ist. Sie entdeckte, dass in Baku alles von Erdöl bestimmt war und auch ihr eigener Körper dadurch definiert wurde. Sie zieht eine Parallele zwischen dem Konsum von Erdöl und Blut: „Es war, als ob Blut von Erdöl verbraucht wurde“.
OILinity reflektiert diese Beziehung, indem es Öl als Metapher für Schwarze Galle verwendet. Schwarze Galle wird von unserem Organismus produziert und repräsentiert Melancholie im auf die Humorallehre der griechischen Antike zurückgehenden europäischen Denken. Während wir Galle produzieren, produziert die Erde Öl. Wie erleben und spüren wir die Probleme, die unsere heutige Gesellschaft betreffen, wie globale Erwärmung und Krieg mit unserem Körper?
„Spinning Melancholy“, eine motorisierte Maschine, die im Zuge der Performance enthauptet wird und Dringlichkeit ausdrückt, ist ein Schlüsselobjekt, um die Ideen in OILinity zu vermitteln. Phallisch stellt es auch ein Machtsystem dar. Andere Objekte wie Unterstand und Kriegshelm beziehen sich auf ein ökonomisches System. Die Darstellenden tragen das gleiche militärische Muster wie der Unterstand (und werden so unsichtbar). Dieses Muster, das hier sowohl Krieg als auch Geld vermittelt, adaptiert das Acanthus-Musters des britischen Textildesigners William Morris (1834-1896), das auf seine Kritik an der Industriegesellschaft verweist.
Für das Tanzvokabular von OILinity hat Kat Válastur ein Archiv von Bewegungen zusammengestellt, die Motorisierung in Bezug auf die Konzepte von Energie und Macht ausdrücken. Die Choreografie führt die zirkulierende Bewegung der Wirtschaft vor und stellt auch mit Körpern, die sich durch Erdöl bewegen, ein Kriegsspiel auf der Bühne nach.
Sie entwickelte ihre Bewegungen ausgehend von einem eindringlichen inneren Geräusch in ihrem Körper. Dieses Geräusch und die Substanz selbst (obwohl sie kein echtes Rohöl verwendete) erzeugten die Bewegung. OILinity wurde von Geräuschen geleitet, die mit Plastiktüten hergestellt wurden und sich äußerst real anfühlten. Geräusche eröffnen einen Raum zum Nachdenken. Sie haben Zauberkraft, indem sie eine Sache in etwas anderes verwandeln können, ohne die Verbindung zur Originalquelle zu verlieren. In OILinity fühlen die Geräusche sich an, als kämen sie von innen und schaffen somit eine unmittelbare Verbindung.
Für Kat Válastur ist das Unterbewusstsein unserer Psyche in Erdöl vorhanden, wie es in jedem künstlerischen Prozess der Fall ist. Die zugrunde liegende Frage ihrer Arbeit lautet: Was ist die Ethik?
Baku I Blut I Melancholie I Energie I Macht I Körper I Plastik I Unterbewusstsein