Workshop XVIII, Elena Sorokina, 28. Januar 2021
Die in Paris lebende russische Kuratorin und Kunsthistorikerin Elena Sorokina präsentiert ihre für die Moskauer Biennale für zeitgenössische Kunst 2007 kuratierte Ausstellung Petroliana, die auf ihrer Ausstellung Crude Oil Paintings aus dem Jahr 2004 bei White Columns in New York aufbaut. Der Titel der Ausstellung ist der Arbeit des Künstlers Jewgenij Fiks entnommen. Er war der erste eingeladene Ausstellungsteilnehmer. Fiks präsentiert sein Projekt Crude Oil Paintings in Form einer Reihe von Briefen von Ölfirmen, die seine Anfrage nach Rohölproben ablehnten.
Elena Sorokinas Ausstellungen sind intersektionell. Sie kontextualisiert Petroliana, indem sie die visuellen Verherrlichungen des sowjetischen sozialistischen Realismus, wie der Industrialisierung und des Wettlaufs ins All, der erhöhten Sichtbarkeit der Substanz Öl der postkommunistischen Privatisierung in den neunziger Jahren gegenüberstellt. Öl verwandelt sich von seinem früheren Status als „nationales Erbe“ in die begehrteste kapitalistische Ware. Mit dieser Darstellungsänderung setzen sich in Petroliana Arbeiten wie Anton Ginzburgs Suck It Off (ein Ölkanister, der mit der weißen Wand der Galerie verbunden ist) und die performative Ölschmuggel-Ballonpipeline der ukrainischen Gruppe R.E.P. auseinander.
Sorokinas Ansatz ist von Susan Buck-Morss’ Buch Dreamworld and Catastrophe (2000) und seiner intersektionellen Herangehensweise an Massenutopien im 20. Jahrhundert inspiriert. Sie zeigt dabei, Ähnlichkeiten und Verbindungen zwischen Ost und West auf, anstatt sich auf Unterschiede zu konzentrieren. So identifiziert Elena Sorokina zum Beispiel solche Intersektionen in Michael Bays Big-Budget-Film Armageddon (1998) mit seinen ideologischen Verwirrungen der Übergangszeit nach dem Kalten Krieg und seinem Model von sich opfernder Männlichkeit. In der Ausstellung fokussieren Werke von Iván Navarro, Heidi Cody und Armin Linke den Irak-Krieg und das Ölfördermaximum.
Petroliana ist in Intersektionen konstruiert, darunter Männlichkeitsbilder von Männlichkeit und die Verherrlichung von Arbeit; Bergbau und Ernte; Traumwelten und Katastrophen; und Extraktion und Kultivierung. Justin Beals digitale Fotokollage Everything is Going According to Plan II (2003) hinterfragt beispielsweise die paradoxen Qualitäten von Offshore-Plattformen, die von den Plug-In Städten der situationistischen Architektur inspiriert sind. Die Ausstellung zeigte auch Johan Grimonprez Experimentalfilm Dial H-I-S-T-O-R-Y (1997) über die Geschichte der Flugzeugentführungen.
Petroliana setzt sich mit Politik und Ideologien auseinander. Elena Sorokina ist der Ansicht, dass Öl nach der Definition von Edmund Burke und Immanuel Kant als „neues Erhabenes“ verstanden werden kann, eine Erfahrung, die entsteht, wenn wir mit der Natur in Kontakt kommen. Sorokina beschäftig sich weiterhin mit dem Ende des Erdöls. Wie verhalten wir uns zur Natur? Modernistische Vorstellungen von der Herrschaft über die Natur führten zu einer tatsächlichen brutalen Herrschaft über die Natur unter dem sowjetischen System. Die Sowjetunion war ökologisch betrachtet eine große Katastrophe.
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