Workshop XXV, George Osodi, 18. Mai 2021
Der nigerianische Fotograf George Osodi präsentiert sein großes, vor 20 Jahren begonnenes und fortlaufendes Fotoprojekt, indem er die Auswirkungen von Erdöl auf die Bevölkerung des Nigerdeltas – Afrikas wichtigste Ölförderregion – dokumentiert.
Anfangs wurde den Gemeinschaften des Nigerdeltas versichert, dass die seit den 1950er Jahren in der Region stattfindende Ölförderung, Wohlstand und anderen positive Auswirkungen mit sich bringen würde. Sie ahnten noch nicht, dass das, was sie als Rohstoff betrachteten, letztlich zu Gift werden würde. Auf der Suche nach einem Medium, um seine Erfahrungen mit den schädlichen Auswirkungen des Erdölsls in der Region, in der er aufgewachsen ist, zu erzählen, wandte sich Osodi Ende der 1990er Jahre der Fotografie zu. Zu dieser Zeit gab es nur wenige visuelle Darstellungen der Region.
Das Nigerdelta ist von einer traumatischen Vergangenheit geprägt, die mit der Ära des atlantischen Sklav*Innenhandels verbunden ist. Zu jener Zeit war die Küste der Region eine Zone, aus der versklavte Afrikaner*Innen über den Atlantik verschifft wurden. Das Nigerdelta ist auch für seine Palmfrüchte bekannt. Vor dem durch die Erdölförderung ausgelösten Niedergang der Landwirtschaft, war Palmöl die wichtigste wirtschaftliche Ressource Nigerias. In den frühen 1960er Jahren war Nigeria der größte Palmölexporteur.
Die Boom-Ära des „schwarzen Goldes“ begann in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren, als die Öl-hungrige westliche Welt ihren Blick auf Nigeria richtete. Das in dieser Zeit ins Land geflossene Ölgeld trug zu einer neuen Dynamik bei. Geprägt von der Sehnsucht nach Reichtum und einem kostspieligen Lebensstil, veränderte sie das Land gänzlich. Mit der Entstehung einer Elite begann sich eine starke Korruption durchzusetzen. Da es seine bäuerliche Kultur verloren hat, ist Nigeria nunmehr ausschließlich vom Öl abhängig. Obwohl Ölgelder für den Bau von Straßen und Brücken in Nigeria verwendet wurden, fließt nur ein kleiner Teil dieses Geldes in die Delta-Region zurück, wo das Öl gefördert wird. Die Region hat nicht vom Bau von Schulen und Krankenhäusern profitiert; ihre Bevölkerung schlägt sich verarmt und perspektivlos durch. Wie auch anderswo in Afrika, leben die Gemeinschaften der Deltaregion in besorgniserregenden und widrigen Umständen.
Osodis fotografischer Ansatz ist sehr ästhetisch, da er darauf abzielt, seine Bilder schön und ansprechend zu gestalten, um die Aufmerksamkeit der Menschen zu erwecken, damit sie das letztendlich sehr dystopische Thema beachten und aufnehmen können. Er findet, je mehr Menschen sich mit den Erzählungen hinter seinen Fotografien auseinandersetzen, desto mehr wird das erforderliche Bewusstsein geschärft, um Veränderungen herbeizuführen. Indem er die Delta-Region sichtbar macht, lädt Osodi uns ein, über die Herkunft des von uns konsumierten Öls und die Auswirkungen unseres Ölverbrauchs auf die Umwelt und die Bevölkerung nachzudenken. Osodis fotografisches Projekt ist ein politisches. Er möchte weitermachen, bis sich für die Region ein positiver Wandel vollzieht. Er will nicht, dass Nigeria weiterhin vom Öl abhängig bleibt.
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